Wie wirkt sich der Schmerz aus? Zellnig: „Man kann schnell in einen Teufelskreis geraten: körper liche Einschränkung, depressive Stim- mung, soziale Isolation, wirtschaft- liche Unsicherheit. Dabei wäre der Ausgangspunkt beispielsweise eine Sprunggelenksverletzung, wegen der man in der akuten Phase auf dem Sofa sitzen geblieben ist, nicht mehr rausgegangen ist. Mit etwas Bewe- gung, mit Training, wäre das Gelenk aber vielleicht gar nicht mehr so schlecht. Aber wenn man einmal im Sumpf steckt, wird’s richtig schwer. Genau dort setzt moderne Schmerz- therapie an. Sie berücksichtigt all diese Aspekte – körperlich, psy- chisch, sozial – und führt Schritt für Schritt wieder in die Aktivität. Und nicht nur über Medikamente.“ Wenn nach Arbeitsunfällen oder bei Berufskrankheiten Schmerzen bleiben, hilft die BGW ihren Ver- sicherten im Rahmen des Reha-Ma- nagements weiter. Je nach Standort kommen zum Beispiel die Schmerz- sprechstunde oder ein Schmerz- seminar zum Einsatz, um die nächsten Schritte auszuloten. Mehr da rüber erzählen BGW-Ansprech- personen und eine Versicherte. Was ist das BGW-Schmerzseminar? Samara Reiß, Reha-Managerin in der BGW-Bezirksverwaltung Karls- ruhe: „Das Seminar findet bei uns an zwei Tagen statt. Am ersten Tag gibt es zwei Vorträge: von der Psychologin und von einem Facharzt. Am zweiten Tag folgen Zirkelgespräche mit dem Facharzt, mit der Psychologin, mit einem Physiotherapeuten und mit je- mandem von uns aus dem Reha-Ma- nagement. Nach einem Austausch dieser Fachleute untereinander erhält die versicherte Person Empfehlungen für das weitere Heilverfahren. Eine Zeit nach dem Seminar fragen wir nach: Wie wurden die Maßnahmen umgesetzt? Wo kann die BGW gege- benenfalls noch unterstützen?“ Wie hilft das Schmerzseminar? Isabel Scherle hat am Seminar teil- genommen: „Ich habe nach einem Fahrradsturz mit einer Handge- lenksverletzung und zwei OPs ein komplexes regionales Schmerzsyn- drom entwickelt. Das Seminar war das erste Mal, dass ich mich theore- tisch mit dem Thema chronische Schmerzen befasst habe. Das war für mich hilfreich. Wir waren eine relativ kleine Gruppe von fünf Be- troffenen, und dadurch hat sich ein schöner, geschützter Rahmen für den persönlichen Austausch erge- ben. Es hat mir geholfen, auch mal mit anderen darüber zu sprechen, was sie für Strategien und Tipps ha- ben. Gut war auch die individuelle Beratung am zweiten Tag. Ich bin mit mehr Hoffnung aus dem Semi- nar rausgegangen, weil ich so einen Zettel in der Hand hatte, auf dem neue Ansätze und Ideen standen, die ich ausprobieren konnte.“ Was ist die Schmerzsprechstunde? Claudia Pruß, Reha-Managerin in der BGW-Bezirksverwaltung Berlin: „Die Sprechstunde ist auf zwei- einhalb Stunden pro Teilnehmer, Teilnehmerin angelegt. Es handelt sich um ein Gespräch mit einem Schmerztherapeuten für eine Stun- de, dann eine psychotherapeutische Gesprächsrunde für eine Stunde, je- weils einzeln. Danach werten wir das Ganze aus. Es gibt keinen fachli- chen Vortrag, sondern wir setzen di- rekt bei den Beschwerden an, die die Versicherten vortragen. Alles ist indi- viduell, das wird von den Versicher- ten sehr begrüßt, weil man sich Zeit nimmt und sie sich aufgehoben füh- len. Sie können besprechen, was sie sonst tatsächlich nie so ausführlich sagen können. Und sie werden dann entsprechend ausführlich beraten.“ Gesund im Betrieb Wie geht es nach der Sprech- stunde weiter? Claudia Pruß: „Wir hatten zum Beispiel kürzlich eine sehr schmerz- geplagte Dame eingeladen. Wir konnten ihr mit dem Schmerzthera- peuten, der auch Chefarzt im Un- fallkrankenhaus ist, sozusagen aus der Schmerzsprechstunde heraus eine stationäre Schmerz-Reha- Maßnahme vermitteln, die drei Ta- ge später angefangen hat. Das heißt, wir sind sehr schnell, inter- venieren sofort, wenn es nötig ist. Das ist ein ganz großer Vorteil für die Versicherten.“ An wen wenden sich betroffene BGW-Versicherte? Samara Reiß: „Zuerst muss eine anerkannte Berufskrankheit vorlie- gen oder der Arbeitsunfall muss be- stätigt sein. Die Versicherten haben dann eine Ansprechperson in der Sachbearbeitung, an die sie sich wenden können. Oder an den Reha- Manager, die Reha-Managerin, falls diese schon involviert sind. Wir ha- ben aber auch im Blick, wenn das Thema Schmerz in Unterlagen oder im Gespräch auftaucht, und prüfen, ob zum Beispiel ein Schmerzsemi- nar infrage kommt. Es gibt auch Checks in Form von Fragebögen, die rausgeschickt werden können, um das Ganze einzuschätzen.“ Mehr erfahren im BGW-Podcast In Folge 130 geht es um den Umgang mit chronischen Schmerzen, die Rol- le von Medikamenten und von Bewe- gung sowie die BGW-Angebote für Versicherte. www.bgw-online.de/podcast130 4 | 25 BGW magazin 15