ZAHLEN – DATEN – FAKTEN JEDE ZWEITE beschäftigte Person sitzt oder steht am Arbeitsplatz zu viel. Ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage wird durch Muskel-Skelett-Beschwerden oder -Erkrankungen verursacht. Fast JEDE VIERTE bewegt zu schwere Lasten. JEDE SECHSTE nimmt häufig eine Zwangshaltung ein. Titelthema Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes führten 2016 zu Produktionsausfallkosten von insgesamt 17,2 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 0,5 Prozent des Bruttonationalein- kommens. MSE-Erkrankungen sind zudem seit Jahren eine der häufigsten Ursachen für Frühverrentungen. Quelle: Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Berichtsjahr 2017“, BMAS 2018 Hier ein Sportkurs, dort mal auf die Haltung achten – mit Einzelmaßnahmen lässt sich kaum eine langfristige Verbesserung der Gesundheit erreichen. Das gilt im privaten Bereich ebenso wie auf betrieblicher Ebene und ist keine neue Erkenntnis. Doch wer ge- nauer hinschaut, findet mittlerweile Hinweise darauf, was tatsächlich den Unterschied macht – und hier ist durchaus Neues zu entdecken. Kurz gesagt: Gesundheit am Arbeitsplatz gelingt vor allem dann, wenn alle Beteiligten von ihrer Notwendigkeit überzeugt sind. Wichtig ist das klare „Ja!“ zur Prävention. Und eine Strategie, die die betrieblichen Arbeitsverhältnisse und das persönliche Arbeits- verhalten der Beschäftigten zugleich in den Blick nimmt. Der Mix macht’s! Kein Stückwerk, sondern ein schlüssiges Konzept umsetzen, das alle mittragen: Mit dieser Überzeugung packte beispielsweise Jens Geigenmüller das Thema Rückenprävention an. Seit mehr als zehn Jahren investiert er in Hilfsmittel – und in Menschen. Der Ge- schäftsführer der Senioren- und Seniorenpflegeheim gGmbH Zwi- ckau (SSH) ist verantwortlich für rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in neun Einrichtungen für ältere, pflegebedürftige und behinderte Menschen. Zum Arbeitsalltag gehören auch Tätig- keiten, die Risiken für die Gesundheit bergen, vor allem wenn sie dauerhaft und einseitig ausgeübt werden: schweres Heben, Tra- gen, Ziehen, Schieben. Das Erfolgsrezept der SSH: Beschäftigte, die sich des Themas annehmen und sich mit dem entsprechenden Know-how für die Prävention einsetzen. Dazu bildete das Unter- nehmen über die Jahre rund 30 Personen – Pflegekräfte sowie Wohnbereichs- und Pflegedienstleitungen – zu internen Ergono- mieberaterinnen und -beratern aus. Unter der Leitung von Pfleger Thomas Klim sorgen diese „Kümmerer“ in ihren Einrichtungen für einen optimalen Hilfsmittelmix und rückengerechtes Arbeiten. „Alle Häuser sind mittlerweile mit hochwertigen und passgenauen Hilfsmitteln ausgestattet“, berichtet Klim. Damit das so bleibt, wird das Instrument „Ergonomieberatung“ über qualitätssichern- de Maßnahmen wie Audits, Fortschreibungen des Hilfsmittelkata- logs oder Qualitätszirkel lebendig gehalten. „Ergonomisches Ar- beiten“, sagt Geschäftsführer Jens Geigenmüller, „ist bei uns ein Selbstläufer.“ Und so sind inzwischen auch die krankheitsbe- dingten Fehltage signifikant zurückgegangen. Strategie statt Strohfeuer „Das Wichtigste ist, keine isolierten Aktionen nebeneinanderzu- setzen, sondern klug ineinandergreifende Maßnahmen kontinu- ierlich zu verfolgen“, bestätigt Jutta Lamers, Leiterin der Präventi- onsdienste der BGW. Sie kennt viele Beispiele aus Unternehmen und weiß, was erfolgreiche Praxis kennzeichnet. Das eine ist, technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen zu vernetzen – ein Vorgehen, das die BGW mit ihren Unterstützungs- angeboten Betrieben ans Herz legt. Darüber hinaus gebe es zen- trale Stellschrauben, so Jutta Lamers weiter. Dazu gehören ins- besondere klare Rahmenbedingungen, eine offene, wertschätzende Kommunikation auf allen Ebenen, engagierte Führungskräfte und eine gesundheitsförderliche Unternehmenskultur. Dass für eine wirksame Strategie dabei nicht unbedingt das große Rad gedreht werden muss, zeigt das heutige Universitätsherz- zentrum Bad Krozingen. „Bereits mit kleinen, aufeinander abge- stimmten Maßnahmen kann man viel erreichen“, weiß Silke Groß, leitende Physiotherapeutin am Klinikum. Seit 15 Jahren gehört sie dem Arbeitsausschuss zur Gesundheitsförderung an, in dem alle wichtigen Akteurinnen und Akteure zur Sicherheit und Gesund- heit im Unternehmen vertreten sind. Der Ausschuss bewertet lau- fende Gesundheitsprojekte, entwickelt sie weiter und bringt neue auf den Weg. Dazu zählten in den vergangenen Jahren unter anderem Ergonomieschulungen für Pflege-, Schreib- und Reinigungskräfte und die Ausstattung der Stationen mit neuen Hilfsmitteln – eben- so wie Vorträge zur Trauerbewältigung sowie in Zukunft die Aus- bildung zu Konfliktlotsinnen und -lotsen oder Bewegungs- und Gedächtnistrainings. Wie das zusammenpasst? „Wir betrachten das Thema Muskel-Skelett-Erkrankungen ganzheitlich“, erklärt Sil- ke Groß. „Auch psychische Belastungen können zu Rücken-, Mus- kel- und Gelenkbeschwerden führen.“ k c n a r F o d d I – . p m o C e v i t a e r C / E S M m m a r g o r p s t i e b r A - A D G : n e n o i t a r t s u l l I BGW mitteilungen 01 | 2019 7