„ Gesund im Betrieb Innehalten, wahrnehmen, akzeptieren Prof. Dr. Dirk Windemuth, Psychologe und Direktor des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetz- lichen Unfallversicherung (IAG), erklärt, wie Achtsamkeit zum sicheren und gesunden Arbeiten beiträgt. “ s s o l F n a h p e t S : o t o F ; s a s a C r J / m o c . e b o d a . k c o t s : n o i t a r t s u l l I Was ist eigentlich Achtsamkeit? „Man versteht darunter eine Art Lenkung der Aufmerksamkeit“, erklärt Psycho- loge Prof. Dr. Dirk Windemuth (siehe Interview rechts). „Eine Person, die achtsam ist, versucht, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, die Wahrnehmungen des Moments zu akzeptieren und sich nicht abzulenken – auch nicht durch das Handy oder Musik im Hinter- grund.“ Achtsamkeit ist unter anderem ein Element der buddhis- tischen Lehre. „Natürlich ist ein Betrieb nicht mit einem Kloster zu vergleichen“, sagt Windemuth. Aufgaben müssen erledigt werden und oft ist schnelles Handeln erforderlich. Dennoch hilft es, Achtsamkeit auch im Ar- beitsalltag zu leben. Achtsamkeit statt Multitasking vorleben Häufig ist in Betrieben das Gegenteil von Achtsamkeit an der Tagesordnung: Multitasking und Aktionismus. Beide wirken geradezu ansteckend und sind für die Si- cherheit kritisch. Wer hektisch handelt oder mehrere Dinge gleichzeitig tut, riskiert einen Unfall. Das gilt beim Bedienen von Maschinen, beim Autofahren, aber auch im Büro, weil man zum Beispiel stolpern oder aus- rutschen kann. Multitasking und Aktionismus können die Produktivität beeinträchtigen, die Mitarbeitenden nerven und zum Sicherheitsrisiko werden. Vorgesetzte und Sicherheitsbeauftragte sollten dies den Beschäftig- ten verdeutlichen und sich für die Achtsamkeit bei der Arbeit einsetzen. „Weitaus wirksamer als das Geben von Tipps ist es da- bei, im Alltag vorzuleben, wie man auch in hektischen Situationen erst kurz reflektiert und dann handelt“, er- klärt Windemuth. Zudem sollte man in Gesprächen erst wirklich zuhören und nicht bereits antworten, bevor die andere Person zu Ende gesprochen hat. Denn ein gutes Kommunikationsverhalten bildet eine essentielle Vor- aussetzung für einen achtsamen Umgang miteinander. Was bedeutet es, mit sich selbst achtsam umzugehen? Das lässt sich gut an einem Beispiel erklären: Ist jemand vor einem Vortrag angespannt, bedeutet achtsamer Um- gang mit sich, dieses Gefühl nicht zu unterdrücken oder sich mit anderen Tätigkeiten abzulenken. Vielmehr geht es darum, die Auswirkungen der Anspannung, wie Zit- tern oder schwitzige Hände, bewusst wahrzunehmen – ohne sie zu bewerten – und sie zu akzeptieren. Mit etwas Übung findet die betreffende Person so bereits mehr Ruhe. Die Akzeptanz überträgt sich zudem auf das Selbst: Ich komme mehr mit mir ins Reine und entwickle eine bessere Stimmung mir selbst gegenüber. Welche gesundheitlichen und sicherheitsrelevanten Gefahren können entstehen, wenn Beschäftigte nicht achtsam mit sich und anderen umgehen? Dauerhafter Stress ist ein Mitauslöser von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Dem kann man mit Achtsamkeit entgegenwirken, denn es ist eine belegt wirksame Methode zur Stressprävention. Außerdem ist Achtsamkeit förderlich für eine Präventionskultur, in der man kurz reflektiert, mitdenkt und nicht einfach blind loslegt. Insofern fördert Achtsamkeit die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Sie kann helfen, Unfälle zu vermeiden. Wie wirkt sich ein achtsamer Umgang auf das Be- triebsklima aus? Achtsamkeit hat einen positiven Einfluss auf die Kom- munikation. Man redet weniger aneinander vorbei und es kommt seltener zu Missverständnissen, wenn man dem Gegenüber aufgeschlossen und akzeptierend zu- hört. Das Gegenteil wäre, bereits eine vorgefasste Mei- nung zu haben oder sich nach wenigen Worten ein Urteil zu bilden. Menschen, die zuhören und achtsam kom- munizieren, vermitteln sich gegenseitig Wertschätzung und Vertrauen – die Grundlage für ein gutes Betriebs- klima. Quelle: arbeit & gesundheit, Ausgabe 5/2019 BGW magazin 2 | 20 15