Bei null werden wir allerdings nicht rauskommen, betont Anne Kissling: „Das ist ein fortlaufender Prozess. Und der ist nie fertig.“ Keine Angst Hört sich entspannter an, als es ist. Denn – Hand aufs Herz: Hast du etwas falsch gemacht, schreit niemand „Hurra!“. Am wenigsten du selbst. Dich beschäftigt ein Mix aus Ärger, Scham und der Angst vor den Konse- quenzen. In Bezug auf Letztere kann Anne Kissling beruhigen: „Man muss die Kirche im Dorf lassen. Die Verant- wortung für einen fachlichen Fehler trägt letztlich die Leitung und nicht der Azubi. Wer zu seinem Handeln stehen und es begründen kann, muss keine Angst haben.“ Davon ausgenommen sind grob fahrlässige Fehler. Die passieren in der Regel aber nicht einfach so – insbesondere, wenn du deine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigst. Wie also verhältst du dich, wenn's passiert ist? Ist es ein kleiner Aus - rutscher, solltest du ihn schnellst - möglich berichtigen – entweder allein oder mit Hilfe aus dem Team. Für die Zukunft überlegst du dir, wie du den Fehler vermeidest. Die ideale Beichte Und wenn etwas rich- tig Dummes passiert, etwas, das dem Unternehmen oder im schlimmsten Fall Menschen schaden kann? „Ehrlich währt am längsten. Ich rate, dem oder der Vorgesetzten ganz pur zu sagen, was geschehen ist“, sagt Anne Kissling. So hat die Führungskraft im besten Fall noch die Möglichkeit, Schaden abzu- wenden. Außerdem machst du klar, dass du Verantwortung übernimmst. Das ist ein gutes Signal an Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen. Wichtig ist, im Gespräch zu erklären, warum du so gehandelt hast. Bitte um ein Feedback dazu, wie kritisch der Fehler war. Das hilft dir, die Situation einzu- ordnen. Möglicherweise ist das Ganze weniger dramatisch, als du es dir aus- malst. Wenn du schon weißt, wie du den Fehler künftig vermeiden kannst, sprich auch das an. Petzen ist ein No-Go Und was ist, wenn der Fehler von jemand anderem mitverschuldet wurde? Beispiel: Du bekommst eine falsche Anweisung von deiner Kollegin oder deinem Kollegen. Am Ende heißt es, du bist schuld. Liegt doch nahe, gleich mal klarzustellen, wer hier eigentlich Mist gebaut hat. Oder? Dazu meint die Psychologin: „Bitte nicht petzen. Das kommt gar nicht gut. Besser: Das direkte Gespräch mit dem Kollegen oder der Kollegin suchen. Und für Klarheit in der Kommu- nikation sorgen.“ Heißt: Anstatt deinem Gegenüber an den Kopf zu werfen, was er oder sie falsch gemacht hat, sage, wie es dir ergangen ist. Und: Mache einen Vorschlag, wie ihr das in Zukunft ver- meiden könnt. Ärger im Arbeitsalltag Anders als im Umgang mit Vorgesetz- ten und Team ist die Sache, wenn du von Patienten oder Bewohnerinnen auf einen Fehler angesprochen wirst. Wie du damit am besten umgehst, hängt davon ab, ob der Fehler schwer - wiegend ist. Für einen Extremfall rät Kissling: „Wenn ich erkenne, dass da jemand Informationen für einen möglichen Rechtsstreit gegen meinen Betrieb sammelt, ist der erste Gang natürlich der zur Führungskraft. Da sagt man freundlich: Ich muss Sie bitten, einen Augenblick zu warten. Meine Führungskraft kommt gleich. Und bitte haben Sie auch mit mir Geduld. Ich bin hier Azubi.“ Halten wir also fest: Fehler passieren. Auch dir. Stell dich ihnen – und mach was draus. Nimm deinen Fehler auseinander Um aus einem Fehler zu lernen und ihn in Zu kunft zu vermeiden, musst du ihn ver stehen. Und das geht so: Erkennen: Ups, hier läuft was falsch. Benennen: Ah, DAS ist der Fehler! Kommunizieren: Chef oder Chefin, ich hab Mist gebaut! Analysieren: Was ist passiert? Wie kam es dazu? Wer war an der Situation beteiligt? Welche Auswirkungen gab es? Verstehen: Ist ja logisch, dass es dazu kommen musste. Maßnahmen ergreifen: Was können wir tun, damit das nicht wieder passiert? YOUNG CARE // Ausgabe 1 | 2020 9