ein Kollege oder deine Kollegin macht immer wieder anzügliche Bemerkungen. Du fühlst dich dabei unwohl, weißt aber nicht, wie du darauf reagieren sollst? Mit dieser Situation bist du nicht allein. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kommt immer wieder und in allen Branchen vor. Das zeigt auch die aktuelle #metoo- Debatte. Frauen und Männer überall auf der Welt schil- dern unter dem Hashtag ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt, Belästigung und Diskriminierung. Gerade Azubis sind unsicher, wie sie reagieren sollen, wenn sie belästigt werden. Vor allem, wenn die Belästigung von einem Vorgesetzten, einer Kollegin oder einem Patienten kommt. Klar, dass es dir als Azubi erst mal schwerfällt, jemandem mit mehr Berufserfahrung die Meinung zu sagen. Aber für Dr. Heike Schambortski ist die einzig richtige Reak- tion die Eskalation. „Auch Azubis sollten Grenzen aufzeigen und einen Konflikt eskalieren lassen“, sagt die Psychologin und Präventionsexpertin der BGW. Sie rät zum „Drei- Schritte-Modell“. Das heißt: 1. Sprich an, was gerade geschehen ist, 2. sage, wie du dich dabei fühlst, und 3. fordere, dass dein Gegenüber sich in Zukunft anders verhält. Du trägst nie die Schuld Vielleicht fällt dir das nicht leicht. Es geht vielen Betroffenen so: Sie sind geschockt und sprachlos – oder schämen sich. Aber die Expertin betont: „Die belästigende Person muss sofort begreifen, dass sie eine Grenze überschritten hat. Egal, um wen es sich dabei handelt. Und das geht nicht durch beschämtes Schweigen.“ Im Gegenteil: Wenn du deinen Kummer oder deine Wut runterschluckst, macht dich das unzufrieden und viel- leicht sogar krank. Das Drei-Schritte-Modell hilft dir als einfaches Ritual. Das hat auch nichts mit Schuldzuweisung zu tun: Du sagst, wie es DIR dabei geht und was die Situation mit DIR macht. Denk immer dran: Du trägst nie die Schuld an dem Vorfall! Dein Gegenüber hat etwas falsch gemacht! Hör auf dein Bauchgefühl Aber ist eine dumme Anmache immer gleich sexuelle Belästigung? Für die BGW-Expertin ist die Grenze klar: „Alle Worte und Handlungen, die die Sexualität von Männern und Frauen betreffen, haben am Arbeits- platz nichts zu suchen.“ Hör auf dein Bauchgefühl! Entscheidend ist, ob du dich unwohl fühlst. „Egal, was das Gegenüber sagt: Wer sich ver- letzt fühlt, hat Recht. Und was eine Verletzung ist, bestimmt die verletzte Person, nicht die verletzende.“ Vielleicht ist deinem Gegenüber auch gar nicht klar, welche Wirkung seine oder ihre Äußerung auf dich hat, und dein Hinweis hilft, das zukünftige Verhalten zu korrigieren. Such dir Hilfe Du musst den Zwischenfall auch nicht mit dir allein ausmachen. Ver- traue dich deinem Chef, deiner Chefin an oder wende dich an eine Vertrauensperson. Es kann auch helfen, im Team anzusprechen, was passiert ist. Vielleicht haben andere Kolleginnen und Kollegen ähn- liche Erfahrungen gemacht und können dir Tipps geben. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber tragen übrigens Sorge dafür, dass ihre Beschäftigten vor sexueller Belästigung geschützt sind. Das gehört zum Arbeitsschutz. Dazu sollte es im Betrieb Leitlinien zum Umgang mit sexueller Diskriminierung oder Gewalt geben und eine geschulte Ansprechperson für Betroffene. Du kannst dich aber auch selbst an die BGW wenden. Sie vermittelt dir dann in bestimmten Fällen beispiels- weise schnell psychologische Hilfe. Infos der BGW zum Thema Gewaltprävention gibt’s auch online: bgw-online.de/gewalt Beispiele: Situation 1: Ich habe einen Patienten für das EKG vorbe- reitet. Er saß mit nacktem Oberkörper vor mir und hat gesagt, wie schön es sich anfühlt, wenn ich ihm die EKG- Pads auf die Haut klebe. Das war eklig. Tipp: „Ich mache hier meine Arbeit. Es stört mich, wenn Sie das, was ich tue, auf eine persönliche Ebene ziehen. Lassen Sie das bitte!“, wäre eine mögliche Reaktion. Situation 2: Wenn mein Chef mir über die Schulter schaut, kommt er immer ganz nah. Ich finde das unangenehm. Was soll ich machen? Ich habe Angst, dass er mich künftig schlechter behandelt, wenn ich das anspreche. Tipp: In der Situation selbst ist es schwierig, das Thema anzusprechen, weil du dein Gegenüber nicht anschauen kannst. Du solltest aber danach eine Gelegenheit für ein Gespräch suchen und die Situation, die dir unangenehm war, benennen. Aufgrund der persönlichen Abhängigkeit ist es gut, eine unterstützende Person hinzuzuziehen. Das kann zum Beispiel jemand aus der Gewerkschaft sein oder dein Vertrauenslehrer beziehungsweise deine Vertrauenslehrerin in der Berufsschule. Situation 3: Ein Kollege zwinkert mir immer zu. Ich vermeide sogar, zur selben Zeit wie er im Pausenraum zu sein. Ich fühle mich sehr unwohl in seiner Gegenwart. Können schon Blicke sexuelle Belästigung sein? Oder bilde ich mir das vielleicht alles nur ein? Tipp: Wichtig ist, dem Kollegen zu signalisieren, dass du dich unwohl fühlst, ohne zu unterstellen, dass es „als Belästigung gemeint“ ist. Das Gute am Drei-Schritte- Modell ist, dass du hier ganz auf der Sachebene bleibst: Du zwinkerst mir immer zu. Das ist mir unangenehm. Kannst du das bitte lassen? YOUNG HELP // Ausgabe 3 | 2018 7